Shaun Bythell erwarb seine Buchhandlung am 1. November 2001. Sie heißt "The Book Shop" und liegt in Wigtown, Schottland, einem 1.000-Seelen-Provinznest in den Salzmarschen von Galloway. Über sein Leben als Gebrauchtbuchhändler hat er ein Buch geschrieben: "Tagebuch eines Buchhändlers", das nun in deutscher Übersetzung bei btb erschienen ist - kurz nachdem der Folgeband "Confessions of a bookseller" in Großbritannien herauskam.
Der Kunde, der, nachdem das gesuchte Buch sich als nicht vorhanden darstellt, in epischer Breite zu erzählern beginnt, w a r u m genau dieses Buch gesucht wird. Der Kunde, der einen ganz bestimmten Titel "seit Jahren, wirklich seit Jahren" sucht und der, legt man ihm den Band vor, zurückschreckt: "Was, 24 Pfund? Das ist mir zu teuer."
So zieht es sich durchs Buch: ältere Damen, die den Kauf eines Büchleins als Freibrief ansehen, dem Verkäufer Stunden lang ihr Leben zu erzählen; Kunden, die Straßen- und Hundedreck in den Laden tragen und diesen umsatzlos verlassen; Kunden, die einen olfaktorischen Angriff auf alle anderen Anwesenden darstellen; etc, etc.
Kurzum: Shaun Bythell ist ein Grantler vor dem Herrn.
Das bringt große Lesefreude für Betreiber eines Versandantiquariates, denen all diese analogen Begegnungen ja erspart bleiben.
Nicht erspart bleiben ihnen die Tücken des Onlinehandels, mit denen sich auch unser Held aus Wigtown herumschlagen muss: Abstürze der Erfassungssoftware, "Wo bleibt mein Buch"-Reklamierer, Schwierigkeiten mit der Post und dergleichen mehr.
Von teils ausgesuchter Maliziösität die Schilderung der Hausbesuchs-Ankaufssituationen - köstlich.
Wirklich beeindruckend aber ist das beharrliche Bemühen Bythells um die Verbreitung der Buchkultur dort am Rande der Irischen See. Die Ausrichtung des jährlichen Buchfestivals, die Entwicklung des Ortes zu "Scotland’s National Book Town", die Idee zu "The Open Book Shop" (mietbar für jeden, man kann quasi üben, Buchladenbetreiber zu sein), seine Buchclub-Idee, und last but least sein Marketing über Facebook.
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Grandios.
Dies war seit langem das erste Buch, das ich wieder in einem Rutsch gelesen habe.
In seinem Laden hängt übrigens auf einer Trophäenplatte ein erschossener Kindle an der Wand. Auf der Tafel ist zu lesen: “Amazon Kindle. Shot by Shaun Bythell, 22 August, 2014, near Newton Stewart.”
Eine seiner letzten Meldungen auf Facebook lautet:
"I have now been suspended from selling on both Amazon and ABE. This may be the happiest day of my life."
Einer der 98 Kommentare dazu lautet:
"I gave up on ABE a while back, and I was never crazy enough to get into bed with Amazon. My shop is doing just fine without either, and so will yours. You don't need 'em. Really. You don't."
Wir sagen: Stiff upper lip, Shaun!
"Ich kann mich noch erinnern, ziemlich umgänglich und freundlich gewesen zu sein..." schreibt er über sein Leben vor dem Kauf der Buchhandlung. "Doch das unablässige Trommelfeuer öder Fragen [...] sowie das endlose Aufkreuzen ermüdender, feilschender Kunden haben mich zu dem werden lassen, was ich inzwischen bin."
Der Leser wird genau ein Jahr lang mitgenommen durch den Alltag des Buchhändlers, der seinen 100.000-Titel-Bestand ("Largest in Scotland") auf etwa anderthalb km Regalbrettern hortet und etwa zehn Prozent davon auch im Internet anbietet. Dies führt zu Problemen. Jeder Tageseintrag beginnt mit "Online-Bestellungen: x, Gefundene Bücher: y." Verantwortlich dafür scheint Nicky zu sein, seine Teilzeit-Mitarbeiterin, der Bythell in einer Art Hassliebe verbunden verbunden ist. Sie schert sich einen Kehricht um seine Anweisungen, ordnet Bücher nach Gutdünken, ist aber da, wenn sie gebraucht wird und "gehört genauso zum Laden, wie die Bücher, und ohne sie wäre er nur halb so charmant."
Was Bythell in den Wahnsinn treibt, sind die Kunden. Der ganze Roman ist eine Abfolge von Anekdoten, die wohl jeder Verkäufer in Präsenzbuchhandlungen zuhauf und in immer neuen Varianten auftischen könnte.
Was Bythell in den Wahnsinn treibt, sind die Kunden. Der ganze Roman ist eine Abfolge von Anekdoten, die wohl jeder Verkäufer in Präsenzbuchhandlungen zuhauf und in immer neuen Varianten auftischen könnte.
Der Kunde, der, nachdem das gesuchte Buch sich als nicht vorhanden darstellt, in epischer Breite zu erzählern beginnt, w a r u m genau dieses Buch gesucht wird. Der Kunde, der einen ganz bestimmten Titel "seit Jahren, wirklich seit Jahren" sucht und der, legt man ihm den Band vor, zurückschreckt: "Was, 24 Pfund? Das ist mir zu teuer."
So zieht es sich durchs Buch: ältere Damen, die den Kauf eines Büchleins als Freibrief ansehen, dem Verkäufer Stunden lang ihr Leben zu erzählen; Kunden, die Straßen- und Hundedreck in den Laden tragen und diesen umsatzlos verlassen; Kunden, die einen olfaktorischen Angriff auf alle anderen Anwesenden darstellen; etc, etc.
Kurzum: Shaun Bythell ist ein Grantler vor dem Herrn.
Das bringt große Lesefreude für Betreiber eines Versandantiquariates, denen all diese analogen Begegnungen ja erspart bleiben.
Nicht erspart bleiben ihnen die Tücken des Onlinehandels, mit denen sich auch unser Held aus Wigtown herumschlagen muss: Abstürze der Erfassungssoftware, "Wo bleibt mein Buch"-Reklamierer, Schwierigkeiten mit der Post und dergleichen mehr.
Von teils ausgesuchter Maliziösität die Schilderung der Hausbesuchs-Ankaufssituationen - köstlich.
Wirklich beeindruckend aber ist das beharrliche Bemühen Bythells um die Verbreitung der Buchkultur dort am Rande der Irischen See. Die Ausrichtung des jährlichen Buchfestivals, die Entwicklung des Ortes zu "Scotland’s National Book Town", die Idee zu "The Open Book Shop" (mietbar für jeden, man kann quasi üben, Buchladenbetreiber zu sein), seine Buchclub-Idee, und last but least sein Marketing über Facebook.
Grandios.
Dies war seit langem das erste Buch, das ich wieder in einem Rutsch gelesen habe.
In seinem Laden hängt übrigens auf einer Trophäenplatte ein erschossener Kindle an der Wand. Auf der Tafel ist zu lesen: “Amazon Kindle. Shot by Shaun Bythell, 22 August, 2014, near Newton Stewart.”
Eine seiner letzten Meldungen auf Facebook lautet:
"I have now been suspended from selling on both Amazon and ABE. This may be the happiest day of my life."
Einer der 98 Kommentare dazu lautet:
"I gave up on ABE a while back, and I was never crazy enough to get into bed with Amazon. My shop is doing just fine without either, and so will yours. You don't need 'em. Really. You don't."
Wir sagen: Stiff upper lip, Shaun!
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