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Die 5 nervigsten Kundenfragen

Der größte Feind des Antiquars ist weder die Bücherlaus noch das Papierfischchen, ja nicht einmal der Steuerprüfer oder die Deutsche Post. Der Terror kommt auf vielfältigen Wegen: Manchmal kündet ein harmlos anmutendes Telefonläuten den nächsten Streich an, meist aber kommt er elektronischen Weges, per E-Mail. Der Urheber aber ist immer vom gleichen Schlag. Der unangefochtene König des Unbills, das ist mit Abstand der Kunde.

Jeder Antiquar und jede Antiquarin kennt sie, diese Telefonate und Mail-Korrespondenzen, die einen die Augen bis zum Schielen verdrehen, die Kiefer fest aufeinander pressen und die Fingernägel in der eichenen Schreibtischplatte versinken lassen. Nachfolgend kommt unser Best of der immer wiederkehrenden Raserei-Garanten.


1. Die nachträgliche Adressänderung

Diese Anfrage gibt es in mehreren Varianten: Vom eher seltenen „Ich bin gerade umgezogen“-Fall (das passiert ja schonmal spontan) über „Ich hätte das Buch nun doch lieber an meine Privatadresse“ und „Der Chef muss ja nicht alles sehen“ (völlig unabsehbare Problematik) bis hin zu „Das ist für meinen Chef, der möchte das gerne von der Steuer absetzen“ sind zahlreiche Formen bekannt. Unproblematisch sind solche Anfragen, wenn das Buch bereits verschickt ist - dann isses eben schon weg. Ärgerlicher wird es, wenn dem Wunsch grundsätzlich und theoretisch noch entsprochen werden könnte: Wie lieb habe ich den betreffenden Kunden? Wie lieb könnte ich ihn einmal haben? Nicht selten steckt hinter solch einer Anfrage der Käufer eines 9-Euro-Buchs. Es soll Antiquare geben, die dann schon einmal recht kurz angebunden geantwortet haben…


2. Die Versandkosten

Versandkosten sind ja grundsätzlich viel zu hoch. Das wissen wir Antiquare. Selbstverständlich könnten wir die Versandkosten einfach reduzieren, Amazon bietet ja schließlich auch kostenlosen Prime-Versand an. Das machen wir aber nicht, denn schließlich wollen wir uns an den exorbitanten Versandkosten schamlos bereichern. Besonders ins Ausland und ganz besonders in die Schweiz.


3. Die Mahnung

„Ich habe eine Mahnung von Ihnen erhalten!!!“ Wutschnaubend. Fassungslos. Zutiefst entehrt.
Hmm. Ja. Das kann passieren. Manchmal vergessen Leute, ihre Rechnungen zu bezahlen. Sowas kommt vor. Ist mir auch schon passiert.
„Das kann überhaupt nicht sein, ich zahle IMMER meine Rechnungen! IMMER pünktlich!“
Kein Problem, ich kontrolliere das gerne noch einmal. (Ich habe ja Zeit.) Vielleicht ist uns ein Fehler passiert. Auch das kommt vor. Nein, ich finde hier keinen Zahlungseingang. Vielleicht ist ein Zahlendreher passiert? Darf ich Sie bitten, Ihrerseits noch einmal nachzusehen?
(Manchmal gibt es hier noch den „Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?“-Einschub. Manchmal ja, meistens nein, und ihre Rechnungen müssten dann, bitteschön, am Ende eben doch alle bezahlen…)
„Oh, tatsächlich… ! …“ Kleinlautes Schweigen. „Das ist ja NOCH NIE vorgekommen.“
Einzigartiges ausnahmsweises Missgeschick.
So oder so ähnlich bei irgendeinem unserer Kunden ca. alle zwei Wochen.


4. „Kann ich das Buch abholen?“

Es gibt ja sooo viele gute Gründe, ein Buch abzuholen! ( – anstatt es sich schicken zu lassen. Anmerkung: Die Krull GmbH ist ein Versandantiquariat. ) Schließlich spart man ja so Versandkosten und auch der Versender, also wir, hat ja weniger Aufwand, denn schließlich muss das Buch nicht eingepackt, zur Post gebracht usw. werden. Gut passen würde es zum Beispiel in der Mittagspause oder nach Feierabend. Ah, ach so, na klar – der Kunde ist ja König, selbstverständlich wirft man da gern jede Arbeitsroutine über den Haufen, legt das 12-Euro-Buch separat auf die Seite und öffnet zur Mittagszeit mit einem Lächeln die Tür, um besagte Ware zu überreichen. Und wo man sich ja gerade so ganz persönlich, vis-à-vis gegenübersteht, quasi schon auf Du und Du – ob da wohl noch was am Preis zu machen ist?
Die Entscheidung, ein Versandantiquariat zu betreiben, trifft man nicht aus Zufall. Zuvor hat ein gründliches Abwägen stattgefunden, ob man gerne täglich seinen Kunden im Nahkampf begegnen möchte. Die Antwort war und ist: Nein.
Oh, um Missverständnisse zu vermeiden: Jenseits der 100-Euro-Marke öffnen wir gerne ausnahmsweise mal die Tür. Dann bieten wir sogar einen Kaffee an. Nur vielleicht nicht unbedingt in der Mittagspause…


5. „Warum ist mein Buch noch nicht da?“

Der Oscar für die nervigste Kundenanfrage aller (oder zumindest doch dieser) Zeiten geht an „Warum ist mein Buch noch nicht da?“ und alle ihre Varianten („Mein Buch ist IMMER noch nicht da“; „Ich habe doch schon vor 2, 3, x Tagen bestellt!“; „Amazon hat gesagt, dass…“). Und genau in diese Richtung geht auch die Dankesrede: Danke, Amazon, für das nachhaltige und umumkehrbare Auf-die-Spitze-treiben des „Ich kann alles was ich will SOFORT haben“-Gedankens. So geht Kundenfreundlichkeit, so geht Kapitalismus! Danke, Jeff Bezos.

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