Direkt zum Hauptbereich

Der Vater: Wie man lernt, das Haus voller Bücher zu leeren

Never ending story oder: Same procedure as last time. Aus dem antiquarischen Arbeitsalltag.


Kommt ja häufiger vor: Das Telefon klingelt, am anderen Ende der Leitung ein Bücherproblem. Das Bücherproblem hat die Bücher geerbt und ein Problem damit oder das Bücherproblem will umziehen und die Bücher sind das Problem dabei oder...

Das Problem sind immer die Bücher.

Weil es so viele sind. Weil man sie nicht mehr braucht. Weil man Angst davor hat, sie könnten im Müll landen. Weil man sie zwar schon der Alma Mater, dem Museum und auch dem Stadtarchiv angeboten hat, aber alle haben mehr oder weniger freundlich abgelehnt (wenn sie sich überhaupt gemeldet haben).
Wenn also alles nicht mehr hilft - dann ruft man den Bücherjuden an. Der will zwar mit den Büchern Geld verdienen, aber sei's drum. Kommt ja kein anderer.
So entsteht ein Besichtigungstermin und der Antiquar (oder die Antiquarin, Anm. des Lektorats) steht vor der Bücherwand.

Wenn es gut läuft, ist es schlimmes Zeug.
Dann schaut man fünf Minuten lang interessiert drein und redet zehn Minuten darüber, wie schwierig alles ist und das man diese in der Tat sehr interessanten Bücher leider, leider nicht in sein Angebot einbauen kann, schade aber auch, ja ich weiß, die waren mal sehr teuer, da kann man nix machen, die Zeiten ändern sich halt und mit Ihnen die Vorlieben und dann kann man sich endlich verabschieden.

Wenn es besser läuft ist es Brot-und-Butter-Ware und man will es haben.
Dann ist der Logistiker gefragt. Ebenerdig oder vierter Stock ohne Aufzug? Jedes Stockwerk ohne Aufzug bringt Preisabschlag. Vierter Stock ohne Aufzug bringt Verweigerungshaltung. Wird nicht genommen, es sei denn, der (oder die) Abgeber(in) bringt's zum Straßenrand.

Wenn es super läuft, hat man wunderbare Ware zum fairen Preis erstanden und freut sich auf die Verarbeitung. Dann ist der Schweiß des Schleppens vergessen. Es sind mindestens zwanzig Titel drin, die man erst mal für eigene Konsumption zur Seite legt.

Das Bücherlager in aufgeräumtem Zustand
Das noch aufgeräumte Lager
Wenn es optimal läuft, sagt die Dame des Herzens: Das hätte deine Bibliothek sein können (Danke, Dr. G.). 
Jetzt muß zwar auch der Logistiker her und bekommt möglicherweise ebenso viel gezahlt wie der Bibliotheksverkäufer, aber das weiß man einzupreisen. Nachdem die Spedition zuhause abgeladen hat, stehen im (vorher aufgeräumten) Lager dann 18 frische Paletten mit je 24 Bananenkisten voller Philosophie, Literaturwissenschaft, Geschichte etc. Geisteswissenschaft der letzten 50 Jahre, teils in wunderbaren Ausgaben. Die Worte des geschätzten Kollegen T., er „würde lieber auswandern als so etwas durcharbeiten wollen“, werden als abweichende, aber für uns nicht relevante Meinung akzeptiert.

Vattern fühlt sich wie Dagobert Duck im Geldspeicher. 432 Kisten auspacken! 432-mal Weihnachten!

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Der Mann, der einen Kindle erschoss

Shaun Bythell erwarb seine Buchhandlung am 1. November 2001. Sie heißt "The Book Shop" und liegt in Wigtown, Schottland, einem 1.000-Seelen-Provinznest in den Salzmarschen von Galloway. Über sein Leben als Gebrauchtbuchhändler hat er ein Buch geschrieben: "Tagebuch eines Buchhändlers", das nun in deutscher Übersetzung bei btb erschienen ist - kurz nachdem der Folgeband "Confessions of a bookseller" in Großbritannien herauskam. "Ich kann mich noch erinnern, ziemlich umgänglich und freundlich gewesen zu sein..." schreibt er über sein Leben vor dem Kauf der Buchhandlung. "Doch das unablässige Trommelfeuer öder Fragen [...] sowie das endlose Aufkreuzen ermüdender, feilschender Kunden haben mich zu dem werden lassen, was ich inzwischen bin." Der Leser wird genau ein Jahr lang mitgenommen durch den Alltag des Buchhändlers, der seinen 100.000-Titel-Bestand ("Largest in Scotland") auf etwa anderthalb km Regalbrettern hortet

Die 5 nervigsten Kundenfragen

Der größte Feind des Antiquars ist weder die Bücherlaus noch das Papierfischchen, ja nicht einmal der Steuerprüfer oder die Deutsche Post. Der Terror kommt auf vielfältigen Wegen: Manchmal kündet ein harmlos anmutendes Telefonläuten den nächsten Streich an, meist aber kommt er elektronischen Weges, per E-Mail. Der Urheber aber ist immer vom gleichen Schlag. Der unangefochtene König des Unbills, das ist mit Abstand der Kunde. Jeder Antiquar und jede Antiquarin kennt sie, diese Telefonate und Mail-Korrespondenzen, die einen die Augen bis zum Schielen verdrehen, die Kiefer fest aufeinander pressen und die Fingernägel in der eichenen Schreibtischplatte versinken lassen. Nachfolgend kommt unser Best of der immer wiederkehrenden Raserei-Garanten. 1. Die nachträgliche Adressänderung Diese Anfrage gibt es in mehreren Varianten: Vom eher seltenen „Ich bin gerade umgezogen“-Fall (das passiert ja schonmal spontan) über „Ich hätte das Buch nun doch lieber an meine Privatadresse“ und „Der

Fachpresse, die Zweite

Bevor die Meldung völlig überholt ist, möchten wir nun an dieser Stelle noch einmal auf ein anderes Medium querverweisen: Wir freuen uns sehr über die Veröffentlichung in der aktuellen (Print-) Ausgabe von "Aus dem Antiquariat"! Der Beitrag ist eine Kurzusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse meiner Masterarbeit "Strategic Business Model Management in the Antiquarian Book Market", mit der ich (Johanna Fröwis) vor etwas über einem Jahr mein MBA-Studium abgeschlossen habe. Die Zeitschrift ist in verschiedenen Abonnements oder als Einzelheft hier erwerblich.